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    Wenn man jetzt einwendet, die eigentliche Ursache unseres Schmerzes
    sei das Wesen desjenigen, der uns beleidigt, dann haben wir immer noch
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    keinen plausiblen Grund, über diesen Menschen verärgert zu sein. Denn
    wenn es tatsächlich in seiner wahren Natur liegen sollte, aggressiv gegen
    uns zu sein, dann könnte er gar nicht anders handeln. Und in dem Fall wäre
    die Wut auf ihn vollkommen sinnlos. Wenn wir uns verbrennen, dann ist es
    unsinnig, dem Feuer böse zu sein. Es liegt in seiner Natur, Dinge zu
    verbrennen. Doch wenn wir uns in Erinnerung rufen wollen, daß das
    Konzept einer angeborenen Aggressivität oder Bosheit falsch ist, dann
    müssen wir nur daran denken, daß derselbe Mensch, der uns Schmerz
    zufügt, unter anderen Bedingungen ein guter Freund werden könnte. Man
    hat schon häufig gehört, daß Soldaten, die auf entgegengesetzten Seiten
    standen, sich in Friedenszeiten angefreundet haben. Und die meisten von
    uns haben es schon erlebt, daß jemand, dem ein schlechter Ruf aus der
    Vergangenheit vorauseilte, sich als angenehmer Mensch entpuppt hat.
    Natürlich will ich damit nicht sagen, daß wir uns in jeder beliebigen
    Situation mit solchen Überlegungen abgeben sollen. Wenn wir körperlich
    bedroht werden, dann sollten wir unsere Energie besser nicht auf
    Überlegungen dieser Art richten, sondern zusehen, daß wir die Beine in die
    Hand nehmen. Doch sich mit den verschiedenen Aspekten und Vorzügen
    der Geduld vertraut zu machen ist hilfreich. Es ermöglicht uns, die
    Herausforderungen, die in kritischen Situationen an uns herangetragen
    werden, konstruktiv anzugehen.
    Ich sagte weiter oben, daß sö pa, die Geduld, das Gegenstück zum
    Vorgang des Sich-Ärgerns ist. Tatsächlich läßt sich zu jedem negativen
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    Zustand ein Gegenstück finden. Zum Beispiel steht die Demut in diesem
    Sinn dem Stolz gegenüber; die Zufriedenheit der Gier; die Ausdauer der
    Gleichgültigkeit. Wenn man also die ungesunden Zustände überwinden
    will, die entstehen, wenn negative Gedanken und Gefühle sich frei
    entwickeln können, dann sollte man die Entwicklung von Tugenden nicht
    losgelöst von der Einschränkung seiner Reaktionen im Hinblick auf die
    blockierenden Gefühle sehen. Sie gehen Hand in Hand. Darum läßt sich
    ethische Disziplin weder auf die bloße Beschränkung negativer noch auf
    die bloße Stärkung positiver Eigenschaften begrenzen.
    Lassen Sie uns über die Sorge nachdenken, um zu veranschaulichen,
    wie dieser Vorgang der Beschränkung in Verbindung mit dem jeweiligen
    Gegenstück verläuft. Wir können die Sorge als eine Art der Angst
    betrachten, die zusätzlich über eine ausgeprägt mentale Komponente
    verfügt. Wir machen immer wieder Erfahrungen oder erleben Dinge, die
    uns betroffen machen. Wenn nun diese Betroffenheit in Besorgnis
    umschlägt, dann beginnen wir zu grübeln und erlauben der Phantasie,
    negative Aspekte mit einzubeziehen. Wir beginnen damit, uns Sorgen zu
    machen. Und je mehr Platz wir diesen Sorgen bei uns einräumen, desto
    mehr Gründe sprechen für sie. Schließlich stehen wir ständig unter
    Anspannung. Je weiter sich dieser Zustand entwickelt, desto weniger
    gelingt es uns, etwas gegen ihn zu unternehmen, und desto intensiver wird
    er. Doch wenn wir genau darüber nachdenken, bemerken wir, daß hinter
    diesem Vorgang eine grundsätzliche Verengung des Blickwinkels und ein
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    Mangel an einer angemessenen Sichtweise verborgen sind. Sie bringen uns
    dazu, den Umstand zu vergessen, daß Situationen und Geschehnisse die
    Resultate zahlloser Ursachen und Bedingungen sind. Wir neigen dazu, uns
    allenfalls auf einen oder zwei Aspekte unserer Lage zu konzentrieren.
    Dadurch schränken wir uns automatisch dahingehend ein, daß wir
    ausschließlich nach Wegen suchen, um allein diese Aspekte in den Griff zu
    bekommen. Das Problem dabei ist, daß wir, wenn uns das nicht gelingt,
    Gefahr laufen, völlig demoralisiert zu werden. Daher muß der erste Schritt
    zur Bewältigung einer solchen Besorgnis darin bestehen, daß wir einen
    angemessenen Blickwinkel für die jeweilige Situation entwickeln.
    Das läßt sich auf verschiedene Arten bewerkstelligen. Eine der
    wirkungsvollsten ist, das Augenmerk weg von sich selbst und dafür auf
    andere zu richten. Gelingt uns das, dann stellen wir fest, daß der Umfang
    unserer eigenen Probleme schrumpft. Das soll nicht heißen, daß wir unsere
    eigenen Bedürfnisse komplett beiseite schieben sollen, sondern eher, daß
    wir uns bemühen sollten, neben unseren eigenen auch die Anliegen anderer
    zu berücksichtigen, wie dringlich unsere Probleme auch immer sein mögen.
    Das hilft, denn wenn wir unsere Anteilnahme im Hinblick auf andere in die
    Tat umsetzen, dann entsteht Vertrauen wie von selbst, und Sorgen und
    Kummer verringern sich. Bei näherer Betrachtung stellen wir sogar fest,
    daß die meisten psychischen und emotionalen Leiden, die in der modernen
    Welt so allgegenwärtig sind  einschließlich der Empfindungen von
    Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit und so weiter -, in jenem Augenblick
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    nachlassen, in dem wir aus einem Gefühl der Anteilnahme an anderen
    heraus aktiv zu handeln beginnen. Meiner Ansicht nach erklärt das, warum
    eine nach außen gerichtete Ausübung von positiven Handlungen zum
    Abbau der Besorgnis allein nicht ausreicht. Wenn das zugrundeliegende
    Motiv nur die eigenen kurzfristigen Ziele berücksichtigt, dann fügen wir
    unseren Problemen damit lediglich neue hinzu.
    Wie aber sollen wir mit den Situationen umgehen, in denen wir unser
    Leben insgesamt völlig unbefriedigend finden oder in denen wir spüren,
    daß wir vollkommen von Leid überwältigt werden  wie wir es alle in
    verschiedenen Abstufungen von Zeit zu Zeit erleben? An solchen Punkten
    ist es von höchster Bedeutung, daß wir mit all unseren Möglichkeiten
    einen Weg suchen, der unsere Lebensgeister wieder weckt. Dazu könnten
    wir uns auf die Dinge besinnen, die auf unserer Habenseite stehen. [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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